Die Autonome Atmung
Die Autonome (unwillkürliche) Atmung spielt eine entscheidende Rolle für das Funktionieren unseres Körpers, da sie lebenswichtige Funktionen wie den Gasaustausch in den Lungen unterstützt und den pH-Wert des Blutes reguliert. Seit Mitte des vorigen Jahrhunderts hat sich die Erkenntnis, dass die Atmung autonomen Ursprungs ist, nach und nach durchgesetzt. Dabei bedeutet autonom nichts anderes als spontan, aus innerer Ursache heraus. Sie passt sich automatisch an verschiedene Bedingungen an, wie z.B. während des Schlafs oder bei körperlicher Anstrengung.
Die Atmung ist ein untrüglicher Indikator für unseren inneren Zustand. Sobald die Atmung beschleunigt wird, verstärkt sich auch die Aktivität des Herzens, und die Stressreaktion setzt ein. Gleichzeitig wird die Aktivität des sozialen Systems herabgesetzt.
Die Atmung ist auch das einfachste und genialste Tor zur Regulierung des entgleisten Nervensystems. Wenn wir sie entspannen, entspannt sich der Herzschlag und schließlich schwindet die ganze Stressreaktion.
In der autonomen Haltungsregulation nach Fuhr (AHNF) spielt die autonome Atmung die Schlüsselrolle in der Diagnose und Therapie. Die autonome Atmung wiederherzustellen, ist das primäre Ziel, auf das in der gesamten Behandlung hingearbeitet wird. Dabei geht es nicht um das bewusst gesteuerte Atmen, wie es in vielen Meditationen oder Entspannungsübungen trainiert wird. Es geht um das unbewusste Atmen, das erst eintreten kann, wenn das Nervensystem entspannt ist und das Unterbewusstsein loslässt.
Wenn ein traumatisches Ereignis (Schock) oder eine längere traumatisierende Lebensphase erlebt wird, ziehen sich automatisch Muskeln und Faszien zusammen, Blutgefäße spannen sich an (vaskuläre Spannung), die Energiezentren (Chakren) blockieren, der Energiefluss ist gestört. Hält dieser Zustand länger an, kann das weitere negative Auswirkungen auf unsere Psyche und Gesundheit haben. Man spricht von einem permanenten, unterschwelligen Stress. Diese Verspannungen lassen sich leider nicht mit Sport, Massagen oder anderen „oberflächlichen“ Methoden langfristig lösen.
Auch Narben, die durch Kaiserschnitt oder andere Operationen entstanden sind, genauso wie Tattoos, Piercings oder Beschneidung, können traumatische Wirkung auf körperlicher, energetischer und psychischer Ebene hinterlassen. Hier sind ggf. therapeutische Ergänzungen wie die Neuraltherapie sinnvoll.
Erst wenn die autonome Atmung wieder funktioniert, kann die eigentliche Selbstheilung des Körpers und der Psyche beginnen. Das Unterbewusstsein kann endlich loslassen, dadurch können Traumen gelöst werden, die Muskel-Sehnenplatten (Diaphragmen) können sich wieder öffnen. Muskeln, Faszien und Organe entspannen sich. Die Patient:in kann wieder in den Schädel und ins Becken hinein atmen.
„Die Patient:in muss zuerst auf einer tiefen, durch Sprache nicht erreichbaren Ebene, gewissermaßen in den Eingeweiden, zur Ruhe kommen. Erst dann können mit anderen Therapien heilsame Veränderungen erzielt werden.“
Quellen: Stephen W. Porges: Die Polyvagal-Theorie. Neurophysiologische Grundlagen der Therapie. Paderborn: Junfermann 2010 Text: Wilfried Ehrman Die Nervöse Steuerung der Atmung, Springer-Verlag, 09.03.2013 – 479 Seiten, von Oscar A. M. Wyss